Vatnik Suppe
Suppen-Nummer152
Datum13.09.2024
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Postfaktische Politik

Diese #vatniksoup spricht über postfaktische Politik und darüber, wie sie unsere Gesellschaft zum Schlechteren verändert hat. Diese Analyse stützt sich stark auf die Arbeit des Wissenschaftlers John Hartley und des Journalisten Adam Curtis.
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Postfaktische Politik beschreibt eine politische Kultur, in der die Unterscheidung zwischen wahr & falsch fast irrelevant geworden ist. Dies führt zu einem politischen Diskurs, wo Diskutanten nicht mehr Fakten nennen, sondern an die Emotionen des Publikums appellieren.
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Natürlich ist es nichts Neues, dass Politiker die Menschen anlügen (das nennt man einfach „Politik“), aber irgendwann haben die Menschen aufgehört, sich für den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu interessieren. Was nun zählt ist, wie man sich dabei fühlt.
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Wenn heute von „Post-Truth-Politik“ die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit den US-Präsidentschaftswahlen 2016 und dem Brexit-Referendum von 2016. 2016 war auch das Jahr, in dem das Wort „post-truth“ ins Oxford Wörterbuch aufgenommen wurde.
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Postfaktische Politik ist eng mit den sozialen Medien verbunden, die eine schnelle, groß angelegte Verbreitung von Propaganda und Desinfo ermöglichen. Eine Option, die vom Kreml mit seinem „Firehose of Falsehoods“ als Waffe eingesetzt wird.
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Aber die Postwahrheitsgesellschaft war in der UdSSR schon seit Jahrzehnten Realität. Seit Mitte der 80er gab es keine Verbindung mehr zwischen der Propaganda der UdSSR-Führung & dem Alltag der Leute. Die Sowjetunion war eine Gesellschaft, in der niemand mehr etwas glaubte.
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Adam Curtis schreibt: „Die Sowjetunion wurde zu einer Gesellschaft, in der jeder wusste, dass das, was ihre Führer sagten, nicht wahr war, weil sie mit eigenen Augen sehen konnten, dass die Wirtschaft zusammenbrach“. Das System zwang alle mitzuspielen & so zu tun, als ob…
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…das real war, weil niemand eine Alternative hatte.
Die Russen & Sowjets haben sogar ein Wort für diese „durchsichtigen Lügen“: Vranyo. Es stammt aus der Zeit der Mongolenherrschaft, als Gewalt und Lügen ein Hilfsmittel waren, um unter ihrer harten Herrschaft zu überleben.
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Die Journalistin & Autorin Elena Gorochowa definiert Vranyo so: Jemand lügt uns an, wir wissen, dass er lügt, er weiß, dass wir es wissen & er lügt trotzdem weiter, während wir so tun, als würden wir ihm glauben. Vranyo, taktische Lügen, wurden vom Kreml in letzter Zeit…
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…im Russisch-Ukrainischen Krieg verwendet & werden weiter verwendet werden. 🇷🇺 Opfer, Skripal & Nawalny-Vergiftungen, 🇺🇦 „Nazis“, Biowaffenlabore in der 🇺🇦: Wir alle wissen, dass es Lügen sind, aber einige tun so als ob es nicht so wäre. In 🇷🇺 hat die Wahrheit „Grautöne“.
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Im Westen denken wir in Schwarz & Weiß: Etwas ist entweder wahr oder falsch. Die „Grautöne“ haben die Russen mit ihrer Online-Propaganda nach dem Prinzip „Firehose of Falsehoods“ gegen uns eingesetzt.
Aber auch die USA & ihre Sicherheitsdienste haben ihr eigenes…
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...System zur Nutzung von Halbwahrheiten: Perception Management. Mit Wahrnehmungsmanagement schafft man eine „gewünschte Realität“ wobei man manche Fakten berücksichtigt & andere ignoriert. Die Strategie wurde von der Reagan-Regierung in den 80ern gegen Gaddafi eingesetzt…
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…und von der Bush-Regierung gegen Saddam Hussein 2003. Mit Wahrnehmungsmanagement konnten die Behörden dramatische Geschichten erfinden, die die Aufmerksamkeit der Menschen erregten, aber oft wenig mit der Realität zu tun hatten.
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Im Juni 2015 zu Beginn der Präsidentschaftskampagne, hoben Donald Trump & seine Wahlkampfhelfer die postfaktische Politik in den USA auf eine ganz neue Ebene. Natürlich begannen seine pathologischen Lügen schon lange vorher in seiner Zeit als Immobilienmakler in den 70ern.
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In gewisser Weise war Trump für Russland der perfekte Kandidat, denn er ist der Inbegriff von Vranyo. Journalistin Susany Mulcahy erklärte, dass „er 90% der Zeit nur Mist erzählt hat“. Die stellvertretende Geschäftsführerin der Trump Organization, Barbara Res, sagte dass…
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…„nach einer Weile glaubte niemand mehr ein einziges Wort, das er sagte“.
Nachdem er Präsident geworden war, wurden Trumps Lügen so alltäglich, dass die Washington Post begann, den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen mit ihrer Abteilung für Faktenüberprüfung zu evaluieren.
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Bis Januar 2021 hatte Trump während seiner Amtszeit als Präsident über 30.000-mal gelogen. Das entspricht ca 21 Lügen pro Tag. Diese Lügen gingen auch nach den Präsidentschaftswahlen 2020 weiter, als Trump & Kumpels versuchten, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu kippen.
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Forscher bezeichnen diese Propagandastrategie als die „großen Lüge“. Der Begriff stammt von Hitler für eine Lüge, die so groß ist, dass niemand es wagt sie zu bestreiten. Auch wenn die Taktik in den USA neu war, wurde sie in Russland/UdSSR schon seit Jahrzehnten angewandt.
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Wie die Russen und Herr Trump gezeigt haben, sind die sozialen Medien ein mächtiges Instrument für die Verbreitung taktischer Lügen. In ihrer Studie von 2018 haben Vosoughi et al. gezeigt, dass sich Fake News 6-mal schneller verbreiten als wahrheitsgemäße Nachrichten.
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Dabei schloss die Studie den Einsatz von automatisierten Bots aus, der diesen Multiplikator wohl noch erhöht. Social-Media-Firmen wurden dafür kritisiert & Medien wie Facebook haben ihre eigenen Teams zur Überprüfung von Fakten eingeführt, um Desinfo zu bekämpfen.
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Elon hat sich bei Twitter anders entschieden: Er wählte einen „ausgewogeneren“ Ansatz, den manche den „Marktplatz der Ideen“ nennen. Hier soll die Wahrheit schließlich aus dem Wettbewerb der Ideen in einer freien und transparenten öffentlichen Debatte hervorgehen.
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Bislang hat dieser „Drahtseilakt“ zu einer Zunahme von Fake-Accounts und zur Wiedereinstellung verschiedener prominenter Neonazi-Konten und anderer Konten mit extremen Ansichten geführt.

Und das alles für nur 7,50 Euro pro Monat.
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